Travel Blog

Nordmazedonien

In der Ferne zu Hause

Von Niš geht es weiter südwärts in Richtung Nordmazedonien. Zu diesem Land habe ich eine besondere Verbindung, denn in der Hauptstadt Skopje leben ehemalige Arbeitskollegen, die mittlerweile gute Freunde geworden sind.

Die Autobahn von Niš nach Skopje ist sehr gut ausgebaut und man gelangt zügig in Richtung Grenze zu Nordmazedonien. Am Grenzübergang hängt groß die nordmazedonische Flagge: Die gelbe Sonne auf rotem Hintergrund ist ein wichtiges nationales Symbol und repräsentiert formal die Unabhängigkeit und Freiheit des Landes. Für mich symbolisiert die Sonne aber auch Aufbruch, ein positives Lebensgefühl und Kraft - alles Eigenschaften, die ich diesem Land und den Leuten zuschreibe.

Die Sonne geht auf

Auf dem Weg machen wir mit der Aussicht auf eine Mittagspause einen Abstecher nach Kumanovo, was sich im Nachhinein als nicht optimal herausgestellt hat. Die kleine Stadt im Norden ist sehr wuselig bis chaotisch, die Autos stecken im Verkehr fest und ohne Ortskenntnis oder einen Tipp ist es schwer, ein geeignetes Lokal zu finden. Deshalb bekommt nur Johanna ihren Mittags-Snack und auch das Auto in Form von 55l Diesel zu einem Preis von ca. 66€.

In Skopje angekommen, schlendern wir durch die Altstadt und besuchen einen Ort, den ich schon beim ersten Besuch in mein Herz geschlossen habe. Ein kleiner überdachter Platz mit einem Brunnen in der Mitte und vielen kleinen Tischen, bewirtschaftet von diversen Lokalen am Rande des Platzes. Es fällt sofort auf, dass die Menschen hier das Leben genießen und sehr kontaktfreundlich sind. Beim Herumspazieren während das Essen zubereitet wird, treffen wir einen Kellner - er schäkert mit Johanna, zeigt mir kurz darauf seine beiden Kinder auf seinem Handy und erzählt mir, wie stolz er auf sie ist. Zum Abschied gibt es einen kostenlosen Apfelsaft, für das “Bebe”. Wir genießen Šopska Salat (ein absolutes Must-Have in Nordmazedonien) und Kebap (nicht zu verwechseln mit einem Döner, es handelt sich um “Ćevapčići”). Es ist ein einfaches, aber sehr gutes Essen und diese Eigenschaften treffen hier auf so viele Dinge zu. Der Platz und die Stimmung haben für mich etwas ganz bodenständig-besonderes, jedes Mal, wenn ich in Skopje bin, komme ich hierher zurück.

Wir haben das große Glück, in der komplett ausgestatteten und kinderfreundlichen Wohnung eines Freundes wohnen zu dürfen. Dragan ist mit seiner Familie vor kurzem in eine größere Wohnung gezogen und da ihm die alte gehört, steht sie für Besucher und Freunde zur Verfügung.

Noch nicht richtig angekommen, ereilt uns ein kleiner Schreck. Johanna bekommt plötzlich hohes Fieber. Als sich ihr Zustand zunehmend verschlechtert, entscheiden wir, eine Klinik vor Ort aufzusuchen. Dragan empfiehlt uns “ACIBADEM Sistina”, eine Klinik mit 24/7 Kinder-Notaufnahme. Er kündigt uns dort telefonisch and und begleitet uns nicht nur mit seinem Motorroller dort hin, sondern wirkt vor Ort als Dolmetscher. Dies ist aber eigentlich gar nicht unbedingt nötig, denn die meisten Mitarbeiter können gut englisch. Wir kommen in die Hände einer erfahrenen Ärztin, die Johanna mit ihrer lauten Stimme zwar etwas verschreckt, sie aber gründlich untersucht und immer wieder zu uns schaut, um zu sehen, wie es Johanna geht. Das private Krankenhaus der türkischen Kette “Acibadem” ist sehr gut ausgestattet und macht einen sauberen und modernen Eindruck - nach westlichem Standard. Nachdem sichergestellt wurde, dass Johanna ausreichend Flüssigkeit zu sich genommen hat, dürfen wir die Klinik am späten Abend verlassen. Ich zahle an der Rezeption für die Behandlung eine “Gebühr” von ca. 60 Euro. Am nächsten Morgen sind wir noch einmal zur Kontrolle hier und Johannas Zustand hat sich über Nacht zum Glück schon deutlich verbessert. Nach der initialen Diagnose Magen-Darm Infekt ist man sich nun sicher, dass es sich um eine Atemwegserkrankung handelt. Schließlich bezahle ich nochmal 120€ für eine ausführliche Untersuchung und Labor. Bis zum Schluss ist unklar, woran unsere kleine Tochter an dem Tag gelitten hat, aber nachdem es ihr nach zwei Tagen wieder fast gut ging, ist das wahrscheinlich auch gar nicht so wichtig. Und wie der Zufall so will, arbeitet die Mutter von Marija, der Frau unseres Freundes Filip, in genau diesem Krankenhaus und hat uns “über den kurzen Dienstweg” nochmal bestätigt, dass es sich um nichts Ernstes handelt.

Wir verbringen den restlichen Tag in der Wohnung und versuchen, den Schrecken etwas zu vergessen und uns auszuruhen. Abends schlendern wir noch einmal durch die Stadt und genießen das Flair der vom Tage aufgeheizten Stadt. Die Innenstadt von Skopje ist jedes Mal wieder sehr beeindruckend, da sie von Denkmälern und Monumenten geradezu gepflastert ist. Man wird von epochalen Gebäuden erschlagen, welche wirken, als seien sie hunderte von Jahren alt, dabei aber laut Filip nur aus “Pappe” bestehen und jünger sind, als wir.

Unseren ursprünglichen Plan, weiter nach Ohrid zu reisen um dort Sarahs Geburtstag zu feiern, verwerfen wir. Wir wollen noch ein paar Tage in Skopje bleiben und wissen, dass ein qualifiziertes Krankenhaus in der Nähe ist, bis Johanna wieder richtig fit ist.

Zum Frühstück gibt’s Börek von der kleinen Bäckerei nebenan. Die Verkäuferin kann zwar kein Wort englisch, aber man verständigt sich irgendwie. Und das Schäkern mit Johanna, wie es hier so viele Leute tun, entbehrt der Notwendigkeit einer Sprache. Auch hier bekommt Johanna etwas geschenkt, ein Milchbrötchen für das “Bebe”.

Nachmittags besuchen wir gemeinsam mit Filip, seinem Sohn und seiner Frau einen kleinen, nett gestalteten Zoo, der dank ausländischer Investoren in den letzten Jahren ein paar exotische Tiere anschaffen konnte. Dabei bezahlen wir einen symbolischen Eintrittspreis von 1,20€ pro Person. Leider war entgegen meiner Erkenntnisse aus einer kurzen Recherche im Internet das Parken vor dem Zoo nicht kostenlos, was uns mit einer Parkkralle quittiert wurde. Der Parkplatzwächter entsperrt die Kralle und erläutert mir, dass das (ausschließlich in mazedonischer Sprache verfasste) Hinweisschild erklärt, dass die Parkgebühren via App bezahlt werden können. Dafür wäre es aber nun zu spät und mit süffisantem Blick berechnet er mir den Tagessatz, von 1000 MKD (Mazedonische Denars) - umgerechnet ca. 15€. Dabei lacht er und legt nach “You know, Mafia!”. In der Mischkalkulation Zooeintritt und Parkgebühren sind wir immer noch unter dem Eintrittspreis für eine Person im Münchner Zoo.

You know, Mafia!

Wir sprechen mit Filip über Politik und kommen, wie so oft einmal wieder zur Rolle Nordmazedoniens auf dem Balkan und in der EU. Nachdem sich vor ein paar Jahren Griechenland bereit erklärt hat, das Veto für die Aufnahme Mazedoniens in die EU aufzuheben (unter der Bedingung, dass sich das Land in “Nordmazedonien” umbenennt), stellt sich nun Bulgarien quer, aus schwer nachvollziehbaren Gründen. Als das Thema auf die Grenzkontrollen kommt, schildere ich, dass der Grenzübertritt von Serbien nach Nordmazedonien recht einfach erschien und frage ihn, was es mit der Initiaive “Open Balkan” auf sich hat. Er schildert, es handele sich dabei um eine politische und wirtschaftliche Kooperation mehrerer Balkanländer, was es zum Beispiel einem Nordmazedonier ermöglicht, in Serbien zum Zahnarzt zu gehen - oder eben das Passieren von Grenzen vereinfacht. Weiterhin meint er, dass es sich dabei im Grunde um die Idee “Jugoslawien” unter einem neuen Namen handelt und schwärmt von den alten Zeiten.

An Sarahs Geburtstag gehen wir mit unseren Freunden essen und sitzen so gemütlich zusammen, wie man mit drei kleinen Kindern zwischen 11 Monaten und 2 Jahren gemütlich zusammen sitzen kann. Wir bekommen den Ratschlag, unsere Reise in Richtung Albanien nicht wie geplant via Ohrid fortzusetzen, da die Straßenverhältnisse sehr schlecht seien und die Fahrt dorthin anstrengend. Stattdessen raten sie uns, via Kosovo nach Albanien zu fahren. Dieses Land wollten wir aufgrund der unsicheren politischen Lage eigentlich vermeiden. Die Argumente, dass es eine neue gut ausgebaute Autobahn gibt und die Unruhen nur im äußersten Norden des Landes statt finden und wir lediglich einen kleinen Zipfel im Süden des Landes durchqueren, lässt uns umentscheiden.

Was bleibt, ist - wie immer nach einem Besuch in Skopje - der Eindruck hier sehr willkommen zu sein. Die Menschen sind aufgeschlossen und über das Maße hinaus hilfsbereit und gastfreundlich.

Matthias

Die Fahrt

Startzeit 11:25 Uhr
Fahrdauer 6:20h
Fahrstrecke 290km
Ø Verbrauch 7,1l / 100km
Ø Geschwindigkeit 47,1km/h
Ankunftszeit 17:40 Uhr
Strecke Niš - Kumanovo - Skopje